Rom, 7. Oktober (Adnkronos Salute) – Im komplexen Puzzle der Alzheimer-Krankheit wurde gerade ein entscheidendes Puzzleteil gefunden. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Wissenschaftlern der Abteilung für Experimentelle Medizin und des Daniel Bovet Neurobiology Research Center (CRIN) der Sapienza-Universität in Rom hat eine komplexe „Überkreuzkommunikation“ – einen molekularen Dialog – zwischen zwei Schlüsselmechanismen entdeckt, die die Expression unserer Gene regulieren: DNA-Methylierung und microRNAs.
Dieser Dialog, der heute in „Alzheimer’s & Dementia“, der offiziellen Zeitschrift der Alzheimer’s Association, beschrieben wird, steuert direkt die Produktion des Beta-Amyloid-Proteins, dessen Ansammlung im Gehirn in Form von senilen Plaques als das bedeutendste Ereignis der Krankheit gilt.
Jahrzehntelang konzentrierte sich die Alzheimer-Forschung vor allem auf die Beseitigung von Beta-Amyloid-Plaques, oft mit enttäuschenden Ergebnissen. Viele zu diesem Zweck entwickelte Medikamente erwiesen sich in klinischen Studien als unwirksam. Aus diesem Grund richtet die wissenschaftliche Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit zunehmend auf die vorgelagerten Mechanismen, nämlich die Regulierung der Produktion dieses Proteins, das zwar „toxisch“ ist, aber dennoch eine physiologische Rolle spielt. „Beta-Amyloid wird von zwei Enzymen produziert, regelrechten ‚molekularen Scheren‘, die ein größeres Vorläuferprotein zerschneiden. Diese Enzyme werden von den Genen Psen1 und Bace1 kodiert. Das von Professor Andrea Fuso koordinierte Forschungsteam von Sapienza hatte zuvor gezeigt, dass die Psen1-Produktion durch einen epigenetischen Mechanismus, die sogenannte DNA-Methylierung, reduziert werden kann. Methylierung wirkt wie ein Schalter: Wenn der DNA eine chemische Gruppe (Methyl) hinzugefügt wird, wird das Gen ‚stummgeschaltet‘“, heißt es in der Erklärung. Es blieb jedoch unklar, wie Bace1, die andere wichtige molekulare Schere, reguliert wird.
Die neue Studie zeigt, dass die BACE1-Regulation komplexer ist und indirekt erfolgt. Hier ist die von den Forschern entdeckte Wirkungskette: „DNA-Methylierung beeinflusst BACE1 nicht direkt, sondern steuert die Expression einer kleinen regulatorischen RNA, einer microRNA namens miR-29a. MicroRNAs sind Moleküle, die als präzise ‚Schalldämpfer‘ fungieren: Sie binden an spezifische Gene und verhindern deren Translation in Proteine. miR-29a wiederum zielt auf das BACE1-Gen ab. Bei hohen miR-29a-Werten wird die BACE1-Produktion unterdrückt und infolgedessen auch die Produktion von Beta-Amyloid reduziert. Das überraschendste Ergebnis – so die Studie – ist, dass die Methylierung des Gens, das miR-29a produziert, dessen Expression erhöht, anstatt es abzuschalten. Dies ist ein kontraintuitiver epigenetischer Mechanismus, der eine neue, ausgeklügelte Logik der Zellkontrolle offenbart.“ Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die DNA-Methylierung die Produktion von Beta-Amyloid über zwei Wege reguliert: einen direkten, indem sie das Psen1-Gen zum Schweigen bringt, und einen indirekten, indem sie die „schützende“ Mikro-RNA miR-29a aktiviert, die wiederum das Bace1-Gen abschaltet.
„Diese Entdeckung ist wie der Schlüssel zum Verständnis eines Prozesses, von dem wir bisher nur das Endergebnis kannten“, erklärt Andrea Fuso, Koordinator der Studie. „Wir haben verstanden, dass die Zelle keinen einzelnen Schalter verwendet, sondern ein integriertes Kontrollzentrum, in dem DNA und microRNA kommunizieren, um einen lebenswichtigen Prozess zu optimieren, dessen Veränderung mit der Krankheit in Verbindung steht. Dies ist entscheidend für die Behandlung einer hochgradig multifaktoriellen Erkrankung. Es ist ein Durchbruch im Verständnis der komplexen biomolekularen Mechanismen der Alzheimer-Krankheit.“
Diese Entdeckung stellt nicht nur einen grundlegenden Wissensfortschritt dar, sondern eröffnet auch konkrete Perspektiven. Neue Therapiestrategien: „Das gesamte System wird durch einen biochemischen Zyklus moduliert, der als ‚Ein-Kohlenstoff-Stoffwechsel‘ bekannt ist. Dieser zelluläre Prozess wird von Nährstoffen wie B-Vitaminen und Molekülen wie S-Adenosylmethionin (SAM) beeinflusst. Die Studie zeigt, dass die Gabe von SAM die Methylierung erhöht, miR-29a aktiviert und die Produktion von Beta-Amyloid reduziert. Dies – so die Studie weiter – deutet darauf hin, dass „methylierende“ Moleküle nicht nur als einfache Nahrungsergänzungsmittel, sondern als tatsächliche epigenetische Medikamente eingesetzt werden könnten, die dazu beitragen können, das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern oder zu verlangsamen.“
Epigenetik im Mittelpunkt. „Neben SAM werden weitere Interventionen untersucht, die die epigenetische Reaktion von Zellen modulieren können, wie etwa Vitamin K2 und in Stammzellextrakten und Fischeiern vorkommende Faktoren (Stamisomen). Die Bedeutung dieser Forschung liegt darin, dass epigenetische Faktoren auch andere mit der Krankheit verbundene molekulare Prozesse zu regulieren scheinen, wie etwa Neuroinflammation, Oxidation und die Funktion der Blut-Hirn-Schranke“, erläutern die Forscher.
Potentielle Biomarker. „Das Methylierungsprofil von Psen1 und die miR-29a-Konzentration könnten zu einem frühen Marker für Krankheits- oder Behandlungsansprechen werden, messbar mit einem einfachen Bluttest“, so die Studie. „Dieselbe Forschungsgruppe hat kürzlich einen Biosensor entwickelt, mit dem sich die Konzentrationen in zirkulierenden Flüssigkeiten einfach messen lassen.“ Die Studie wurde im Rahmen einer internationalen Zusammenarbeit der Universität La Sapienza, der Universität Neapel „Federico II“ und der Universität Barcelona durchgeführt.
„Das Verständnis, wie unsere Gene an- und ausgeschaltet werden, mit der Möglichkeit, diese Mechanismen regulierend zu beeinflussen, ist eine der vielversprechendsten Forschungsfelder der modernen Medizin“, so Fuso. „Mit dieser Arbeit haben wir einen entscheidenden Beitrag geleistet, der uns nicht nur dem Verständnis von Alzheimer näher bringt, sondern uns auch neue und vielversprechende Ansatzpunkte für neue Maßnahmen bietet.“